Das ist mitnichten ein neuer Beitrag von mir in dem ich verrückte Forderungen aufstelle, sondern leider ein aktueller Bericht im Öffentlichen Anzeiger vom 27.04.2023. Der Artikel ist auch hier zu finden: Beim Blick auf die Zahlen wird klar: Bad Kreuznach braucht mehr Parkplätze und Straßen – Oeffentlicher Anzei ger – Rhein-Zeitung (Bezahlschranke). Kurz zusammengefasst nimmt Herr Neuber die Zulassungszahlen zum Anlass eine stetige Zunahme der Fahrzeuge je Haushalt in Bad Kreuznach anzunehmen und leitet daraus einen steigenden Bedarf an automobiler Infrastruktur ab, den die Politik zu erfüllen habe. Der Kommentar von Herrn Neuber scheint online nicht erschienen zu sein. Ich zitiere daher ein paar markante Sätze:
Automobilität einschränken ist realitätsfern. […] (angeblich) erwünschte Verkehrswende. […] Man kann die Mobilität aller Bürger eben nicht dadurch gewährleisten, dass man die einen ausbremst und die anderen privilegiert. […] bestimmte Radstrecken aufgegeben werden, denn sie bringen nichts und sind teilweise zu gefährlich. […] dass Radler rollen können, aber die Autos auf anderen Trassen flutschen […].
Robert Neuber, Öffentlicher Anzeiger, 27.04.2023
Dazu sendete ich folgenden Leserbrief an die Rheinzeitung:
Die Stadt braucht mehr Parkplätze und Straßen – welch fantastischer Auftakt für den Artikel. Mich wundert, dass diese Forderung nicht auf Plakaten im vergangenen Wahlkampf zu lesen war.
Warum erscheint dieser Artikel? Und welch inhaltliche Botschaft hat er tatsächlich zu bieten?
Die zitierten Zahlen finden wir auf der Webseite des statistischen Landesamtes. Stichtag der Zahlen ist der 01.01.2022. Da ich auf der Seite nicht finden kann, zu welchem Zeitpunkt diese erschienen sind, habe ich dort nachgefragt: Im Juli 2022. Herr Neuber erfreut uns also mit den „neuesten“ Zahlen. Klar sind es neuesten – denn die anderen erwarten wir dann wieder im Sommer.
Den Zuwachs an PKW schreibt Herr Neuber den Haushalten zu. Laut statistischem Landesamt unterscheiden die Zahlen der PKW aber nicht zwischen privaten und gewerblichen Haltern. Insofern ist die Aussage mindestens irreführend, unterstellt sie doch, dass die Zunahme allein den privaten Interessen der Bevölkerung zuzuschreiben ist. Wie Herr Neuber angibt, wuchsen in den vergangenen Jahren die PKW-Zahlen absolut um 4785 Fahrzeuge an. Es ist anzunehmen, dass ein gewisser Anteil auch der gewerblichen Nutzung entspringt – in 10 Jahren hat sich dann doch so einiges getan. Das statistische Landesamt wartet übrigens noch mit der interessanten Zahl der PKW je 1000 Einwohner auf. Diese beinhaltet zwar ebenso keine Unterscheidung nach gewerblichen und privaten PKW, das statistische Landesamt liefert aber Vergleichszahlen dazu aus ähnlichen Kommunen (ab 20.000 Einwohnern) hierzu. In 2022 gab es demnach 459 PKW je 1000 Einwohner, das ist 1 Fahrzeug je 1000 Einwohner mehr als im Jahr zuvor und 52 Fahrzeuge mehr als 2012. Bad Kreuznach liegt damit dauerhaft unter dem Durchschnitt der Vergleichskommunen und hat auch einen unterdurchschnittlichen Anstieg in den letzten 10 Jahren zu verzeichnen.
Eine zu vermutende Ursache dieser Zahlen wird regelmäßig in der Politik kommuniziert – zumal in Zeiten klammer Kassen: Bad Kreuznach hat überdurchschnittliche Sozialausgaben zu tätigen. Im Analysestil von Herrn Neuber bleibend könnte man sich da doch fragen wie Haushalte, die auf Unterstützung angewiesen sind, sich den von ihm vermuteten Zweit- und Drittwagen wohl leisten können. Zumal er im zweiten Teil des Artikels erläutert, dass Sportwagen und SUV diese Zahlen prägen.
Nun sieht Herr Neuber aufgrund dieser Entwicklung einen vermeintlichen zusätzlichen Bedarf an automobiler Infrastruktur in der Stadt (und im Kreis). Insbesondere in der Stadt ist bekanntlich Platz ein begrenztes Gut, welches bereits heute sich stark an den Bedürfnissen des motorisierten Verkehrs orientiert – sei es in der Form von Parkplätzen oder Straßen. In zaghaften Versuchen wurde an mancher Stelle nun Verkehrsraum umgestaltet.
Zumeist wurden dabei nicht einmal Flächen aus dem Anteil des motorisierten Verkehrs entfernt, sondern durch Markierungen die Anspruchsberechtigung auch anderer Verkehrsteilnehmenden aufgezeigt. Herr Neuber möchte hierin gleich eine Drangsalierung der geschundenen Autofahrenden erkennen. Wie es um die Lungen von Fußgänger:innen, Anwohner:innen und insbesondere Kindern steht, scheint da in erster Linie nicht von Bedeutung zu sein.
Für Herrn Neuber gibt es aber eine vermeintlich privilegierte Gruppe von Verkehrsteilnehmern: Radfahrer. Diese Abneigung macht er in seiner Meinung deutlich. Leider gibt es für den Ursprung der angenommenen Privilegierung keine Hinweise in seinem Text. Wohl aber Empfehlungen damit umzugehen: Rückbau von Radwegen, damit der Autoverkehr flutscht. Perfide: Der ADFC-Fahrradklimaindex darf als Begründung herhalten, weshalb Fußgänger:innen aber auch Autofahrer:innen vor Radfahrenden geschützt werden müssen.
Zum Glück ist Herr Neuber nicht maßgeblich in der Verkehrswegeplanung in Bad Kreuznach, man müsste Übles befürchten. Wohl aber ist es Aufgabe einer Zeitung seriöse Berichterstattung zu leisten. Das kann ich in den Mutmaßungen und Interpretationen des Herrn Neuber nun überhaupt nicht entdecken. Genauere Auswertungen könne man übrigens beim Kraftfahrtbundesamt bekommen, riet man mir beim statistischen Landesamt. Aber die Zahlen würden vielleicht nicht ins beabsichtigte Bild passen.
Schlussendlich bleibt es ein inhalts- und anlassloser Artikel, in dem der Autor seiner gestrigen Verkehrsvorstellung nachhängt. Ach nein, da ist doch ein Anlass: Am Wochenende ist Automobilsalon. Und wenn die Statistik sagt, dass sich sowieso jeder weiter Autos kauft, dann beruhigt das doch das eigene Gewissen beim Probesitzen im sportlichen Drittwagen für die Flanierfahrt durch die Stadt.
Ein Kommentar