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„Wir haben das gleiche Recht die Straße zu benutzen…“

Mit meiner Tochter Radfahren ist doch immer wieder Quell interessanter Erkenntnisse. So fuhren wir am Wochenende die Ringstraße entlang. Von dem Radweg an der Bosenheimer Straße kommend hatten wir am Lidl den Kreisel durchfahren, was bei dem Verkehrsaufkommen unkritisch war. Der weitere Weg in Richtung Diakonie war bereits aufgrund der am Montag startetenden Baustelle mit Absperrungsmaterial teilweise zugestellt.

Noch bevor wir diese Engstellen erreicht hatten, an denen durchaus ein Ausweichen auf die Fahrbahn als notwendig erachtet hätte werden können, formulierte meine Tochter den oben stehenden Satz, der wie folgt endete: „…wie die Autos.“ Ich bestätigte dies und erläuterte, dass wir an der Engstelle nun eigentlich guten Gewissens auf die Straße wechseln könnten oder sogar müssten. Wie unterließen das aber aufgrund der Tatsache, dass keine Fußgänger:innen auf dem Weg waren und wir somit zwar im Graubereich, aber ohne Gefährdung agierten.

Später an diesem Tag, ich war alleine unterwegs, erfreute ich mich zunächst daran, dass die südseitige Unterführung an der Landfuhrbrücke nun auch für den Radverkehr freigegen wurde. Piktogramme am Boden weisen auf die notwendige Rücksichtnahme hin, auf die geringe Höhe wird mittels Schild hingewiesen (dies war in der Vergangenheit ein Hauptargument gegen die Freigabe gewesen) und es sind Verkehrsspiegel montiert. Bravo.

Meine Freude trübte dann die Ampelanlage an der Gensinger Straße, Ecke Heidemauer: Ich kam zu einem Zeitpunkt an, als der mir entgegenkommende Autoverkehr noch Rot hatte. Ich beeilte mich der Ampel meinen Überquerungswunsch mitzuteilen. „Signal kommt“ leuchtete auf, es vergingen etwa 20 Sekunden und – der Autoverkehr bekam Grün. Ich nicht.

Damit sind wir wieder bei dem Zitat meiner Tochter. Schon die Ampelschaltung signalisiert mir als Radfahrer oder Fußgänger: Du hast nicht das gleiche Recht!

  • Weshalb reicht es nicht 20 Sekunden vor dem Beginn der Grünphase den Bedarf anzumelden, um an dieser Grünphase zu partizipieren?
  • Weshalb wird nicht sowieso in jeder dieser Phasen automatisch Grün für die Fußgänger:innen gegeben?
  • Warum muss ein Auto nur an der Ampel stehen, der übrige Verkehr aber seinen Wunsch mit Knopfdruck signalisieren?

Diese Fragen kann ich nicht beantworten, sie sprechen aber eine eindeutige Sprache, die sich gegen den nicht-motorisierten Verkehr richtet. Eine Frage an mich selbst konnte ich nach ein wenig Reflektion aber beantworten: Warum waren meine Tochter und ich nicht auf die Ringstraße gewechselt, als die Baustellenabsperrung dort auf dem Radweg rumstand? Leider ist der Grund, dass ich – obwohl ich mich für einen versierten und nicht unbedingt konfliktscheuen Radfahrer halte – die Chance von einem Auto aufgrund des vermeintlichen Fehlverhaltens („Fahr auf dem Radweg!“) mindestens bedrängt zu werden als zu hoch einschätzte, als dass ich das meiner Tochter zumuten wollte.

Bis wir also gleichberechtigte Verkehrsteilnehmende sind, wird noch viel Arbeit zu leisten sein. Dass meine Tochter es von sich aus erkennt, finde ich hoffnungsvoll. Dass lieblos hingeschubste Baustellenabsperrungen, tumbe Ampelschaltungen und das Verhalten so mancher Verkehrsteilnehmender das Gegenteil festschreiben wollen, ist die Herausforderung. Und als Radfahrender muss man sich jeden Morgen neu motivieren, diese Herausforderung anzunehmen.

Veröffentlicht in Allgemein Schwachstellen

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