Nun nähert sich wieder ein Jahr dem Ende. Ich wollte mehr geschrieben haben in den letzten Wochen. Doch nicht alle Pläne lassen sich umsetzen, wie man es sich vorstellt. Und an Plänen und Themen mangelt es mir nicht.
Bevor ich nun einen Artikel lang aber nur Wehmut verbreite: Tatsächlich hatte ich auf meinen angekündigten Brief an Herrn Ordnungsdezernent Markus Schlosser ein Telefonat mit diesem. Aber zunächst der Brief:
Nutzung von Ermessenspielräumen bei Verkehrsverstößen
Bericht der Allgemeinen Zeitung vom 15.08.2022: „Irritation in Bad Kreuznach: Rot abgesetzt, aber kein Radweg“Sehr geehrter Herr Schlosser,
ich schreibe Ihnen im Hinblick auf die Berichterstattung zu einem Bußgeld für einen Radfahrer in der John-F-Kennedy-Straße (Allgemeine Zeitung vom 15.08.2022). Lassen Sie mich vorwegschicken, dass ich keineswegs Sonderrechte für Radfahrende oder Ähnliches anstrebe oder einfordere. Vielmehr ist es mir ein Anliegen regelkonformes Verhalten von Radfahrenden zu erreichen und versuche dieses mit meiner Webseite zu fördern.
Im Rahmen meiner eigenen Radfahrerfahrungen und insbesondere durch den durch den Betrieb der Webseite entwickelten spezifischen Blick, muss ich aber konstatieren, dass Bad Kreuznach noch einen weiten Weg vor sich hat, bevor es tatsächlich ein Rad Kreuznach sein kann.
Zurück zu dem konkreten Fall: Das Fehlverhalten des Radfahrers ist unstrittig. Für mich ist aber die Sanktionierung durch das Ordnungsamt harsch. Mir ist leider nicht bekannt, ob im Nachgang der öffentlichen Berichterstattung eine Abmilderung erfolgte – jedenfalls würde ich an dieser Stelle unbedingt um Nutzung eines Ermessensspielraumes ersuchen – immer vorausgesetzt, es liegt keinen Behinderung oder Gefährdung vor, wie dies im geschilderten Fall wohl zutraf.
Warum erachte ich dies als äußerst wichtig? Wir haben in Bad Kreuznach noch kein durchgängiges Radwegenetz. Schlimmer noch – an machen Verkehrsstellen begegnen einem widersprüchliche Angaben oder auch augenscheinlich rechtswidrige Gebotsanordnungen. Gerne werde ich meine Beobachtungen hierzu auch im Rahmen meiner Mitarbeit in der Rad AG der Stadt weitergeben. Wenn wir aber im Sinne der Verkehrswende und auch einer Entlastung der städtischen Verkehrsinfrastruktur Menschen zum Radfahren motivieren wollen, so müssen wir Ihnen einerseits möglichst klare Vorgehensweisen aufzeigen, gleichzeitig aber auch Nachsicht zeigen, wenn nicht jedem sofort klar ist, wie bestimmte Situationen zu meistern sind.
Schlussendlich wären also im konkreten Fall eine Ermahnung und ein Hinweis sicherlich ausreichend gewesen, während andernorts dir direkte Sanktionierung durchaus angezeigt wäre. Mir begegnen auf den täglichen Wegen aber so viele Stellen, die uneindeutig sind, so dass eine einzelne Radfahrt mich bei strengster Beurteilung durch das Ordnungsamt einige hundert Euro kosten würde – und ich versichere Ihnen, dass ich ein sehr regelfester und regeltreuer Radfahrer bin.
Ich würde mir wünschen hierzu von Ihnen eine Antwort zu bekommen, die ich gerne auf meiner Webseite veröffentlichen würde. Dafür an dieser Stelle bereits mein Dank.
Brief vom 06.11.2022
Nun zum Telefonat: Herr Schlosser kann und möchte zum konkreten Fall nichts sagen und schon gar nicht seinen Mitarbeitern in irgendeiner Form in den Rücken fallen. Das kann ich nachvollziehen. Dass Kontrollen an Gefahrenschwerpunkten, bspw. bei der missbräuchlichen Nutzung der Fußgängerzone durch Rad- oder auch Scooterfahrende verstärkt werden sollten, fanden wir aber beide sinnvoll. Alles in allem war es ein sehr angenehmes Gespräch. Und auch hinsichtlich Radfahrender auf Gehwegen habe ich zuletzt unangenehme Erfahrungen gemacht und beobachtet:
Während des Eis und Schnee der vergangenen Woche rückten Fußgänger:innen und Radfahrende notgedrungen enger zusammen. Oft war nur ein Teil der Radwege geräumt. Ich würde dies, ohne es weiter geprüft zu haben, auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten zurückführen: Radwege die Stadt, Gehwege der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks. Und so wichen Fußgänger:innen immer wieder auf den geräumten Teil des Radweges aus. Dann ist man als Radfahrender gut beraten sich an den Leitsatz, den man gerne gegenüber Autos und LKW anbringt, zu halten: Der Stärkere nimmt auf den Schwächeren Rücksicht. Also weder sind Fußgänger mit der Klingel zu vertreiben, noch zu schneiden. Meine Beobachtung war: Die gegenseitige Rücksichtnahme klappte gut.
Als ich jedoch selbst in der Fußgängerrolle war und der von mir genutzte Gehweg an der Salinenstraße weit und breit keine Erlaubnis für den Radverkehr hatte, und dann für mich aus dem Nichts von hinten ein Radfahrer, ohne Klingeln, ohne Licht, ohne jeglichen Abstand, (und ich würde fast sagen auch ohne jeglichen Anstand) an mir vorbeibretterte, befiel mich doch für einen Moment Panik. Kurzum: Ich habe in der Folge verstärkt mal darauf geachtet und feststellen müssen, dass Radfahrende, die Gehwege unerlaubt nutzen, leider sehr häufig auch den Fußgänger:innen wenig Raum und noch weniger Vorwarnung lassen. Ein No-Go.
Bevor ich das Jahr 2022 nun radfahrtechnisch Lebewohl heiße, mache ich einen Minijahresrückblick: Für Radfahrende hat sich in Bad Kreuznach sichtbar einiges getan in diesem Jahr. Der neue Oberbürgermeister steht nicht unbedingt als Fahrradfreund an der Spitze – dennoch wird auch er nicht alles wieder zurückdrehen wollen, wie er in der (auch endlich wieder zusammenkommenden) RAD-AG mitteilte. Dazu sind wir dann auch in der politischen Diskussion doch auch (glücklicherweise) weiter: Der absolute Vorrang des Autos, nicht nur in Form von Fahrspuren, sondern auch in Parkplatzform, ist nicht mehr unangefochten. Insofern darf man doch einigermaßen optimistisch in das kommenden Jahr blicken. Rad Kreuznach – wir kommen!
PS: Das Beitragsbild zeigt einen Logoentwurf, der tatsächlich auf Februar 2022 datiert. Es hat dann bis zum 1. Beitrag ja doch nur 5 Monate gebraucht.
[…] Schon die Pressemitteilung der Stadt erzeugte mit ihrer Knappheit – es gibt nicht einen einzigen Hinweis auf das erlaubte und erwünschte Verhalten der Verkehrsteilnehmenden – und den pauschalen Ortsangaben (Löwensteg, historische Neustadt) einigen Verdruss bei mir. Endgültig fuchsig machte mich dann der Leserbrief des Herrn Gereon Rogoß, der in der Allgemeinen Zeitung beschrieb, dass selbst schiebendes Passieren des Löwensteges bei zu frühem Aufsteigen nicht mit einer Ermahnung oder Erklärung, sondern direkt mit 55 Euro Ordnungsgeld geahndet wurde. Womit wir direkt bei einer Thematik wären, die uns doch sehr bekannt vorkommt. Vergangenes Jahr hatte ich mich hinsichtlich der Verwarnungspraxis schon einmal mit Herrn Schlosser auseinandergesetzt: https://rad-kreuznach.de/jahresende-und-ein-nachtrag/ […]