Da kommt man frisch erholt aus dem Urlaub und schon erblickt man in der Allgemeinen Zeitung am Montag, 15.08.2022 den Artikel über den vermeintlichen Radweg an der John-F.-Kennedy-Straße (auch online hier: Irritation in Bad Kreuznach: Rot abgesetzt, aber kein Radweg (allgemeine-zeitung.de)).
Kurz zusammengefasst: Der einseitige Fußweg an der John-F.-Kennedy-Straße ist zwar mit farbigem Pflaster markiert mitnichten ist dies aber ein Radweg, denn dazu fehlt die erforderliche Beschilderung. Ein Radfahrer, der sich dieser Tatsache nicht bewusst war, wurde durch das Ordnungsamt mit 55 Euro Bußgeld belegt. Die Stadtverwaltung verteidigt das Vorgehen der Ordnungshüter.
Ich sehe hier mehrere interessante Aspekte, die gerade im Hinblick auf den Wandel im Straßenverkehr beleuchtet werden sollen:
- Regeln gelten für alle Verkehrsteilnehmenden
- Der Kenntnisstand muss aufgefrischt werden
- Die Verwaltung muss durch Beschilderung und Wegführung das regelkonforme Verhalten fördern
(1) Regeln
Der erste Punkt sollte eigentlich keiner Erläuterung bedürfen – ganz so einfach ist es aber gerade im Hinblick auf das Verhalten der Radfahrenden nicht unbedingt. Für mich ist unstrittig, dass die Straßenverkehrsordnung uneingeschränkt gilt. Die StVO betont den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmenden vor den stärkeren. Das kommt im konkreten Fall zum Tragen: Die vermeintlich harsche Strafe für den Radfahrer ist der Mindestsatz für das verbotswidrige Befahren eines Gehweges. Sowohl mit dem Auto als auch dem Fahrrad kostet dies 55 €. Kommen Behinderung, Gefährdung oder gar ein Unfall hinzu, so kann das Bußgeld bis auf 100 € klettern. Klar, denn der Gehweg ist der Schutzstreifen der zu Fuß Gehenden.
Warum sieht man dann dennoch häufig Radfahrende auf dem Bürgersteig? Eine gängige Antwort ist: „Da fühle ich mich sicherer“. Mit gleichem Argument könnte ein Fahranfänger seinen PKW statt über die Wilhelmstraße einmal durch die Fußgängerzone der Mannheimer Straße lenken. Der Schwächere ist zu schützen – ergo kann das Argument nicht herangezogen werden, da man sonst seine persönliche Sicherheit auf dem Rücken der anderen Verkehrsteilnehmenden erhöht.
Verblüffend ist die jetzige Ahndung aber auch, da sie neuartig ist. In der Vergangenheit war das eher selten der Fall, man denke nur an die stets radfahrende Frau Dr. Kaster-Meurer, die dem Gehweg dabei nicht abgeneigt war. Das Durchsetzten von Regeln ist korrekt – ob man im konkreten Fall nicht auch eine Verwarnung hätte aussprechen können, sei dahingestellt. Für das Fortkommen des Radverkehrs insgesamt ist aber regelkonformes Verhalten eines Großteils der Radfahrenden erforderlich.
(2) Wissen
Womit wir direkt bei dem, aus meiner Sicht, mangelnden Kenntnisstand ankommen. Die klassische Karriere in einer ländlich geprägten Region ist doch: Fahrradprüfung in der Grundschule und mit 18 Jahren der PKW-Führerschein. Wenn man nun im Rahmen der Verkehrswende nicht mehr nur den Radweg Nahe entlangfährt, sondern „richtig“ am Verkehrsgeschehen teilnehmen muss, dann ist das Erlernte aus der Grundschule schon eher weit weg und möglicherweise auch nicht ganz auf dem aktuellsten Stand. Oder wie ist aktuell das nebeneinander Fahren mit Fahrrädern geregelt?
Will heißen, ich gehe davon aus, dass weniger absichtlich Verstöße begangen werden, als es den Verursachern gar nicht bewusst ist.
Für dieses Thema finde ich die mediale Berichterstattung sehr gut, denn niemandem ist damit geholfen, wenn das Ordnungsamt einen Knollen nach dem anderen verteilt, aber keine Verhaltensänderung erzielt wird, weil es keiner mitbekommt. Dieser Blog ist ebenfalls ein Versuch das Fahrradwissen in Bad Kreuznach zu erweitern.
Diesem Feld wird in Zukunft vermutlich noch viel Energie gewidmet werden müssen – ohne dass ich dafür direkt ein Patentrezept wüsste. Denn je mehr das Fahrrad an Bedeutung zunimmt, desto mehr Nutzer:innen werden neu dazu kommen und vieles neu lernen müssen. Ich finde in diesem Zusammenhang bspw. die Fahrradpiktogramme auf der Wilhelmstraße gut. Sie schützen nicht und sie sind kein Radweg. Aber sie zeigen jedem Radfahrenden (und selbstverständlich auch den Autofahrenden) unmissverständlich, dass die Straße nicht nur für Autos sondern eben auch für Fahrräder da ist.
(3) Gestaltung
Und damit leite ich auch zum dritten Punkt über. Warum sieht denn der Gehweg wie ein Radweg aus? Warum gibt es dort keinen Radweg?
Die Stadtverwaltung führt korrekt aus, dass in 30er-Zonen die Anlage von benutzungspflichtigen Radwegen nicht erlaubt ist. Die Freigabe eines Gehweges für Radfahrer ist aber möglich; dann handelt es sich um einen nicht-benutzungspflichtiges Angebot an Radfahrende. Da die Farbgebung für Radwege nicht vorgeschrieben ist, es gibt blaue, rote, grüne Radwege, ist allein aus der Farbe einen Benutzungsanspruch abzuleiten gefährlich. Obwohl natürlich in Bad Kreuznach alle bisherigen Radwegmarkierungen rot gewählt wurden (an dieser Stelle denken wir an die Markierung im letzten Teil der Bosenheimer Straße Höhe Bahnhof; hier gibt es rote Markierungen; ich muss auf meine Agenda nehmen die Beschilderung zu betrachten)
Aber abseits dieser konkreten Stelle: Gemeinsame Fuß-/Radwege sind der schlechtmöglichste Kompromiss. Regelmäßig werden diese benutzungspflichtig ausgewiesen an Stellen, an denen eine Nutzung nicht sinnvoll oder gar möglich ist. Oder auch eine unnötige Gefährdung von Fußgängern damit einhergeht. Besser wäre hier, wenn denn der Bedarf gegeben ist, das Radfahren freizugeben, so dass auch die alternative Nutzung der Fahrbahn weiter erlaubt ist. Ich sehe hier großes Verbesserungspotenzial, um Eindeutigkeit zu schaffen. In der idealen Welt erkenne ich einen Radweg auf Entferung und kann ohne Probleme auf ihn gelangen. In Bad Kreuznach habe ich leider häufiger den Effekt, dass ich plötzlich ein blaues Schild sehe und dann mein Rad einen nicht abgesenkten Bordstein hochhieven soll.
tl;dr und Fazit
Der Weg nach Rad Kreuznach ist schon gut in Fahrt gekommen, was sich durch höheres Verkehrsaufkommen bemerkbar macht. Das merken wir auch an der medialen Aufmerksamkeit, die diesmal ganz ohne Autoverkehr auskommt. Anhand dieses Artikels kann man die Probleme, die ein zunehmender Radverkehr bedeutet, schon gut erkennen. Regeln müssen bekannt sein und durchgesetzt werden. Die Verwaltung muss in der Verkehrsplanung eindeutig werden und sich gute Konzepte überlegen. Radfahrer müssen zügig und sicher fahren können. Die derzeitige Gestaltung fühlt sich oftmals wie Gängelung an oder ist nicht zu Ende gedacht.
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